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Gemobbte auf die Sonderschule?

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Ich frage mich manchmal schon, was Journalisten (und diesem Fall wahrscheinlich auch Pädagogen) denken, wenn sie solche Texte verfassen. Da porträtiert das Kindermagazin des SPIEGEL ein 13-jähriges Mädchen, das erzählt – als sei das das Normalste der Welt – weil sie wegen ihrer Behinderung gemobbt wurde, würde sie jetzt in einem Internat für Körperbehinderte leben.

Man meint, das sei ein Text aus dem Jahr 1970, aber nein, er ist erst gestern bei Spiegel Online veröffentlicht worden. Ein tolles Signal, was da an die versammelte Kinder-Leserschaft ausgegeben wird: Mobbt Eure behinderten Klassenkameraden nur schön weiter, dann seid ihr sie bald los, denn sie werden ins Internat geschickt. Mir stellen sich die Nackenhaare auf, wenn ich so etwas lese.

Nicht nur habe ich ein grundsätzliches Problem mit der Aussonderungs-Bildungspolitik, die in Deutschland betrieben wird. Aber dass man ein Kind aus der Familie nimmt, 160 km entfernt unterbringt, weil sie wegen ihrer Behinderung gemobbt wird anstatt das Mobben abzustellen, macht mich sprachlos. Leute, so geht das nicht! Was das für ein Signal aussendet an die Kinder, die mobben und an das Mädchen, das gemobbt wird: “Du bist anders. Du musst gehen.”

Und es ist das Standardargument der Inklusionsverweigerer: Behinderte Menschen sollten nicht integriert beschult werden, weil sie ja von den nicht behinderten Kindern gemobbt werden würden. Wie wäre es, wenn man mal das Mobbing abstellt, also die Mobber “abschiebt” statt die Gemobbten?

Und ich weiß, ich wiederhole mich, aber warum ist es möglich in Großbritannien etwa 80 Prozent der behinderten Kinder integrativ zu beschulen, in Deutschland aber nur 20 Prozent? Ich habe nicht den Eindruck, dass hier in Großbritannien alle behinderten Kinder massive Probleme wegen Mobbing haben. Im Gegenteil: Eine Gesellschaft, die schon mit behinderten Kindern in die Schule geht, geht auch später anders mit behinderten Erwachsenen um. Fast alle meine ehemaligen Kollegen bei BBC haben mir erzählt, dass sie mindestens einmal in ihrer Schulzeit einen behinderten Mitschüler hatten. Für die war es dementsprechend auch normal, behinderte Kollegen zu haben und behinderte Menschen einzustellen.

Ist es also von einem Kindermagazin zu viel verlangt, behinderte Kinder anders darzustellen als arm und Opfer? Damit sind sie dann nämlich auch in Zukunft perfekte Mobbingopfer. Und es ist übrigens keineswegs normal, dass behinderte Kinder zu Mobbingopfer in der Schule werden. Es gab dazu in Großbritannien sogar 2004 eine Studie, ob Schüler mit Lernbehinderungen an normalen oder an Sonderschulen mehr gemobbt werden. Das Ergebnis war, sie werden an beiden Schulformen gleich viel gemobbt, aber die Kinder, die eine Sonderschule besuchten, wurden in der Freizeit mehr gemobbt.

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